Ich mach's gern umgekehrt. Also ich lern' nicht irgendwie Mathe in der Hoffnung, dass ich brauchen kann, sondern hab ein Projekt und eigne mir dann das entsprechende Wissen dazu an.
Da sehe ich Mathe nicht anders als andere Dinge. Wenn du sagst du willst ein Webservice bauen, dann schaust du dir auch an wie HTTP funktioniert, SQL wenn du was mit Datenbanken machst. Wenn du ein Jail-Management-Tool machst siehst du dir Jails wahrscheinlich auch viel detaillierter an, als viele User. Wenn du dann irgendwelche Visualisierung machst siehst du dir eben das Mathe dazu an. Ich hatte lange nicht viel mit Geometrie am Hut, habe zuletzt aber ein paar Projekte in die Richtung gemacht, deshalb das Mathe dazu gelernt.
Das geht übrigens auch ins Extreme. Wenn du fünf Jahre an was sitzt, egal was es ist, wirst du sicherlich auch den Anteil an Mathe den du brauchst Inne haben. Schule oder Uni sehe ich eher als Weg dafür zu sorgen, dass man weiß wonach man suchen muss. Und wenn's wirklich so Basic ist, wie du's an der Uni machst (also die Dinge abseits von deiner Bachelor-/Master-Doktorarbeit), dann ist das häufig ohnehin nicht in dem Rahmen, den du dann brauchst.
Und dann kommt's noch an was du machst. Kann ja sein, dass du Natural Language Processing machst und da ist es mitunter so, dass du Deutsch, Englisch, generell wie Sprachen funktionieren viel nötiger hast, als Mathe. Niemand sagt dir du brauchst Grammatik für's Programmieren.
Es gibt allerdings viele Punkte wo du Mathe inhärent in fast allen Bereichen brauchst. Wenn du was schneller machen willst, einen Algorithmus optimieren willst brauchst du Mathe. Generell brauchst du (binäre) Logik, als Teil der Mathematik. Nur ist da ja ohnehin was was du dann täglich machst, genauso wie die restliche Mathematik, die du brauchst. Das heißt man lernt vieles teilweise recht unbewusst und vor allem wenn man wirklich in einem Projekt ist wo man das Problem gut versteht auch extrem schnell.
Ich kenne einige Leute, die in der Schule oder auch an der Uni miese Mathematiker waren, aber dann als sie einfach vor ihrem Projekt standen, für das sie Passion haben genau die selbe Mathematik angewandt haben ohne es wirklich mitzubekommen.
Zuguterletzt: Du brauchst allem voran das was du mit sechs oder sieben gelernt an Mathe und womöglich Teile, die du an der Uni gelernt hast (meist vollkommen anders, als alles was davor kam). Beides kannst und wirst du dir aber auch im Zuge des Programmierens aneignen, wenn du ein Problem wirklich lösen willst. Und ja, davon gehört zu haben ist wie mit allem gut. Ist dann ungefähr, wie wenn du weißt in welcher man page du nachsehen musst und so, aber auch wenn du was an der Uni oder in der Schule durchgenommen hast ist es so, dass die Chancen groß sind, dass, wenn das nicht gerade deine Masterarbeit war du das ohnehin auffrischen bzw. neu lernen musst, Gerade die Dinge, die man womöglich nur sehr theoretisch durchgenommen hat stellt man sich dann vollkommen anders vor.
Kenne viele ITler, auch PhDs, die Mathe in der Schule gehasst haben und auch durchgefallen sind und jetzt was wirklich Mathe-intensives treiben. Oft haben die dann nur auf dem Teilgebiet wirklich viel Ahnung, aber das ist dann genau das Mathe, das du brauchst.
Im Endeffekt halte ich so Sätze wie "Wie willst du ohne Mathematik programmieren?" kontraproduktiv. Ich weiß, oft sind sie gut und motivierend gemeint, aber sie können Panik verursachend sein und dann lernt es sich noch schlechter. Und es ist einfach Humbug zu denken, dass man jemanden ein Mathebuch in die Hand drückt, dann liest man das drei mal quer und kann das. Das funktioniert nicht um Rad fahren zu lernen, das funktioniert nicht um programmieren zu lernen und bei Mathe auch nicht.
Das ist das schöne am Programmieren. Du kannst dir ein Problem suchen, dich reinbeißen bis du es löst und es mag mal länger und mal kürzer dauern aber für gewöhnlich hat man dann eine Lösung und auch wenn sie schlecht ist hat man meist so viel daran und am Rundherum gelernt, das das nächste Mal was viel besseres entsteht.
Für alle, die nicht an der Uni waren: Meist fokussiert man sich da viel mehr drauf Probleme zu lösen, sich Dinge als X vorzustellen, etc. Das ist sehr anders, als das Mathe das man davor hatte. Was mitunter auch passiert ist die Sprache zu verstehen. Stellt euch vor, ihr redet mit jemanden über BSD und neben euch steht jemand ohne Ahnung von Computern. So kann es einem natürlich auch mit Mathe gehen. Das kann mitunter eines der größten Herausforderungen sein, das Basiswissen dafür aufzubauen, aber dann geht das schon.
Kurzum: Wenn Mathe das Einzige ist, was einem vom Programmieren oder IT (auch als Admin brauchst du Mathe!) fern hält, dann macht man sicher eine prima Karriere!
Und noch eines. Es ist witzig, aber es gibt doch einige Leute, die einfach nur Spiele machen wollten und dann irgendwann ihre eigene 3D-Game-Engine bauen, so ohne mathematischen oder IT Hintergrund. Das ist auch sowas, wo man extrem Mathematik brauchen kann (Grafik, Physik, ...), mehr als die meisten anderen Programmierer. Ich erzähle das, weil das klassische "Ich habe von Mathe und Programmieren eigentlich keine Ahnung"-Leute sind.