Boycott Systemd

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Bei vielen anderen Sachen, war die Lösung nach dem NIH-Syndrom (Not-invented-here):
"Alle Datenbanksysteme, die alles in einer Datei speichern, genügen nicht unseren Ansprüchen, also entwickeln wir sowas von Grund auf für uns neu."

Im Falle von systemd wäre mir NIH allerdings lieber, weil sie versauen so keine anderen Projekte versauen :p
 
Ich zitere den Autor, logind ist komplex und bedarf weitere Tests. Fertig klingt anders und einfach benutzbar ist auch was anderes. Auch die Linuxe müssen einiges an Arbeit reinstecken.
 

Ich bin kein Developer und verstehe nur einen Bruchteil von dem, was Pöttering da schreibt. Aber ich muss sagen: Vieles davon klingt durchaus interessant und gut. Ich staune nur, dass die Linux-Welt den Mut (oder die Naivität) besitzt, all diese Änderungen mal so nebenbei einzuführen. Wenn ich mission-kritische Linux-System betreute, würde ich jedenfalls versuchen, noch 1-2 Jahre auszuhalten und erst upzugraden, wenn sich der Staub wieder gelegt hat.

Es erinnert mich an die Geburtstwehen von FreeBSD 5. Die Änderungen am Kernel (SMP/Giant Lock) waren gewaltig und haben viele Probleme bereitet. Einige gaben FreeBSD auf, Matthew Dillon startete mit Dragonfly sogar seinen eigenen 4er-Fork. Aber am Ende - so mein Eindruck - ist FreeBSD gestärkt daraus hervorgegangen. Was absolut nicht heißen soll, dass andere Ansätze (Dragonfly, OpenBSD) falsch oder schlechter sind. Meist haben sie andere Use Cases im Sinn, die sie bedienen.

Ich drücke daher den Linuxern die Daumen, dass sich all ihre Systemd-Probleme am Ende tatsächlich lohnen. Und diejenigen, die dem Unix Way treu bleiben möchten, finden sicherlich bei den BSDs ein gutes neues Zuhause.
 
Interessant ist dass die Ideen von Poettering es unmöglich machen andere Dateisysteme als BTRFS zu verwenden. Vom Zumüllen ganzer Verzeichnisse mit Herstellerkram abgesehen.
 
Seine Idee mit den unterschiedlichen Distributionen mit unterschiedlichen Softwareumgebungen zusammen zu stöpseln leuchtet mir nicht wirklich ein.
Wenn so ein System eingeführt wurde, was will ich dann noch mit unterschiedlichen Distributionen? Bei den meisten sind Userland und Kernel doch eh das gleiche (Glibc, Gnu Coreutils und Linux), und alle die wirklich was anders machen sind zu diesem Schema ohnehin inkompatibel. Ich habe eher das Gefühl, dass es darum geht, eine Hegemonie einer gewissen Art von Software zu schaffen, alles andere ist „deprecated“. Und entsprechend ist dafür auch kein Platz im neuen Schema.
 
Das sehe ich genau so. Letztendlich führt es dazu, dass es nur noch eine Distribution mit systemd gibt.
 
Mir wurde zwar wegen dieser Meinung schon öfter vorgeworfen, dass ich mir eine Verschwörungstheorie zusammen phantasiere, aber ich wiederhole es trotzdem noch mal: Red Hat ist ein Unternehmen und wie jedes Unternehmen wollen sie Geld verdienen. So viel Geld wie möglich. Das sie zudem börsennotiert sind und damit die Kakerlaken im Hintern haben, verschärft es noch einmal. Nur leider ist der Markt für Linux begrenzt und als bestes Pferd im Stall hat Red Hat das vorhandene Potential weitgehend ausgenutzt. Es gibt mehrere Dinge, die sie machen können, aber im Kern läuft es auf zwei Punkte hinaus.
  • Red Hat kann weiteres Marktpotential schaffen, indem sie neue Zielgruppen erschließen. Oder deutlich gesagt, weniger fähige Leute ins Linux-Lager locken. Dafür muss Linux allgemein und RHEL aber einfacher, automatisierter und insgesamt zugänglicher werden. Gleichzeitig muss es natürlich klare Vorteile gegenüber der Konkurrenz, hauptsächlich in Form von Windows Server geben. systemd als zentrale Systemkomponente nach dem "one tool to rule them all"-Prinzip ist ein großer Schritt dahin, weil es Konzepte vereinheitlicht und Abstraktion drastisch vereinfacht.
  • Alternativ kann man vorhandenes Marktpotential besser ausnutzen, wenn mehr Linux-Nutzer ins Red Hat Lager ziehen. Es gibt natürlich viele Wege es zu erreichen. Aber das System mit vermeidlichen Vorteilen auszustatteten ist immer eine gute Möglichkeit. systemd legt die Grundlage dafür. Als netten Nebeneffekt wird das System komplexer, wodurch seine Fehleranfälligkeit steigt und Firmen eher bereit sind, Geld in teure Serviceverträge, Schulungen und Zertifikate zu investieren.
Wenn man dann durch systemd die Konkurrenz ausschaltet, da sie die Komplexität nicht mehr kontrollieren kann und in Qualitätsprobleme rutscht oder sich schlicht zerstreitet, ist das ein netter Nebeneffekt. Zudem ist es nun einmal eine Tatsache, dass Red Hat einen wesentlichen Teil des Linux-Systems entwickelt. Warum sollten Konkurrenten durch diese Entwicklungen profitieren oder man sogar auf sie Rücksicht nehmen? Ich stelle es vielleicht ein wenig krass und übertrieben da, aber für mich ist systemd der bisher erfolgreiche Versuche Linux zu kapern und in ein "Red Hat OS" umzuwandeln. Andere dürfen zwar weiterhin mitspielen, aber auch bitte nicht zu sehr.

EDIT: Daher ist auch egal, ob systemd nun funktioniert oder eben nur eine bessere Alpha-Version ist. Interessant wird es erst zu RHEL 8, was noch Jahre entfernt ist.
 
http://ma.ttias.be/whats-new-systemd-2015-edition/

Moneyquote: "read ahead implementation dropped: in the age of SSDs the benefit is not big enough to have this. All systemd developers have SSDs and no more spinning disks, nobody could/wanted to support this anymore. The idea was to read-ahead the bits needed during the boot process and remember it next time, for faster boots. But with SSDs, this support is dropped."
 
Das Argument "schneller Boot" ist sowieso eine Nebelkerze...

Darum ging es mir nicht. Eher um die Argumentationskette: Wir brauchen es nicht mehr, wir wollen es nicht, deshalb hat es niemand zu wollen und deshalb fliegt das Feature raus. Ich fürchte es wird schwer werden, in dieser schönen neuen systemd-Welt, wenn Du nicht gleichgeschaltet bist.
 
Mir wurde zwar wegen dieser Meinung schon öfter vorgeworfen, dass ich mir eine Verschwörungstheorie zusammen phantasiere, aber ich wiederhole es trotzdem noch mal: Red Hat ist ein Unternehmen und wie jedes Unternehmen wollen sie Geld verdienen.
Da sind wir schon zwei Verschwörungstheoretiker :D
  • Red Hat kann weiteres Marktpotential schaffen, indem sie neue Zielgruppen erschließen. Oder deutlich gesagt, weniger fähige Leute ins Linux-Lager locken. Dafür muss Linux allgemein und RHEL aber einfacher, automatisierter und insgesamt zugänglicher werden. Gleichzeitig muss es natürlich klare Vorteile gegenüber der Konkurrenz, hauptsächlich in Form von Windows Server geben. systemd als zentrale Systemkomponente nach dem "one tool to rule them all"-Prinzip ist ein großer Schritt dahin, weil es Konzepte vereinheitlicht und Abstraktion drastisch vereinfacht.[/QUOTE]
... und damit werden viele oder vielleicht sogar die allermeisten Entwickler von (GUI-)Applikationen ins Boot geholt und ans System gebunden. Deswegen finde ich das Argument der Gnome-Leute bzgl. nicht vorhandenem systemd in FreeBSD mit verlaub sehr bescheuert und durchsichtig: sinngemäß "Wenn Ihr ein systemd oder sowas baut, dann wird das von uns unterstützt." Warum unterstützen sie dann nicht das was da ist, also ein Betriebssystem ohne systemd?

Aus meiner Sicht findet im Linux-Lager eine Windows-ierung statt: auf systemd könnte dann als weiteres Element eine zentrale Konfigurationsdatei folgen: registry; wird natürlich nicht so heißen, aber...
 
Hallo liebe Verschwörungstheoretiker:

Ich bin ja der Meinung, dass da versucht wird ein Vendor-lock-in auf OpenSourceBasis zu erstellen.
Sagt jemand, dass das Prinzipbedingt nicht geht?
Dann schaut Euch systemD in paar Jahren an.

ciao
chaos, mit pessimistischen Prognosen alzuoft rechthabend.
 
Mir macht, ehrlich gesagt, systemd nichts aus, WENN(!) ich mich damit nicht beschäftigen muss. Das bedeutet für mich, dass systemd für reine Desktop-Rechner "ok" wäre, weil ich da den Standard-Matsch, den die Distro anbietet einfach übernehme. Das passt sogar zu Debian, weil das Linux genauso verwirrt ist, dass ich das meistens nicht wage, es tiefergehend zu konfigurieren.

ABER(!), ich habe ein Desktop-System, das ein Server ist und ich MUSS(!) mich mit Sachen herumschlagen, die bis zum Bootvorgang reichen und allgemein das System beeinflussen. Ich brauche Admin-Tools, die ich mag, die eigenständig sind und immer dann laufen, wenn der betreffende Teil des Systems funktionstüchtig ist. Ich verstehe dann besser was läuft und was nicht. Ich hatte noch nicht alle fatalen Probleme der Welt mit FreeBSD (natürlich!), aber die meisten Probleme sind immer akut schmerzhaft und müssen gelöst werden, ohne das man nervös wird.

init ist klein und hat seine dedizierte Aufgabe, die Wahrscheinlichkeit ist klein, dass es ein Problem hat, sodass ich daran irgendetwas drehen muss. systemd ist ein Ungetüm, es ist für alles zuständig. Ich muss mich damit beschäftigen, ich kann nicht wie bei rc.d einmal drumherum skripten, weil es, anstatt anständiger Turing-vollständiger Sprache, Beschreibungen in Textdateien verwendet. Hat systemd an einer Stelle irgendwo ein Problem, wirkt sich das global aus und jetzt sieht es so aus, als ob das System nicht anständig bootet (anständig = sodass man den Fehler einfach beheben kann), wenn ein Teil von systemd ausfällt.

Zweitens... ich brauche Logs. Viele davon. Ich lese sie nicht oft, aber WENN ich sie brauche, dann werden sie LEBENSWICHTIG. Sie sollen einfach zugreifbar sein und mir ist egal, ob sie konsistent sind, oder nicht (wen interessiert das, wenn eine Zeile mittendrin aufhört?). Es ist VERDAMMTNOCHMAL ein Log! Ein Log hat keinen Anspruch auf Konsistenz... es soll das MAXIMALE bieten was der Admin gebauchen kann und wenn ein Dienst noch einen letzten Hilfeschrei reinsetzt, der mittendrin aufhört, ist das besser als transaktionale Logs zu haben, die dann "repariert werden"... und Information vernichten. Ich brauche Logs auch, wenn wenig Tools zur Verfügung stehen und sie sollen textbasiert sein, sonst werde ich wahnsinnig damit.

systemd führt zudem falsche, von mir nicht erwünschte Prinzipien ein. "rootfs ist nicht genug" (das schmerzt sehr!). Es ist natürlich rund um die Uhr "Daemonen neu zu starten"... ihr habt wahrscheinlich noch nie den Printer-Dienst mitten im Auftrag abstürzen sehen (startet er dann neu und ich mach Pause und es nicht weiß habe ich tausende mit Müll bedruckte Blätter, wegen "Retries"). Ich finde das einfach hirnrissig, was manche Leute sich hier denken. Ein Dienst soll abstürzen und das System soll mir sagen, dass er nicht mehr läuft und Logs sollen mir Infos bieten, wo das eigentliche Problem ist. Einfache kette, die jeder Admin versteht!

Ich habe regelrechte Angst Linux überhaupt anzuschauen, weil jede Distro den systemd-Käse am Laufen hat. Naja gut, dann kann ich mir Linux erstmal für lange Zeit sparen, bis die Leute all die Schmerzen bekommen haben, um systemd sinnvoll zu gestalten. Das wird voraussichtlich etwas dauern. Aber ich verfolge stets passiv mit, wie verloren viele Leute sind, auch die die von systemd "überzeugt" sind.

Ich habe auch übrigens keinen Bock auf Glaubenskrieg (siehe "überzeugt"). Ich betrachte gerne die Essenz aus der Sache und gucke, ob ich mehr Probleme habe als zuvor. Hier habe ich die. Ich hatte die schon, wenn ich Linux als Server einsetze, weil sie alles so unkomfortabel dort machen (Gentoo ist eine angenehme Ausnahme, übrigens, aber Anwendungen ans Laufen zu kriegen ist dort zeitweise ein Krampf!). Ich bin froh, dass ich zur rechten Zeit auf FreeBSD als Hauptsystem gekommen bin und betrachte mir den Unsinn der da mit systemd passiert aus sicherer Distanz an. Manchmal lache ich darüber und bin dann froh, dass ich mich damit nicht beschäftigen muss (viele Leute in sozialen Medien schreiben darüber, stellt Euch vor wir würden dauernd schreiben wie toll/schlecht init oder rcng ist... das machen wir nicht, weil das einfach LÄUFT!).
 
Nur leider ist der Markt für Linux begrenzt und als bestes Pferd im Stall hat Red Hat das vorhandene Potential weitgehend ausgenutzt.

Der Linux-Markt wird dank IBM gerade wieder ein Stückchen größer:
Massive Worldwide Layoff Underway At IBM

Selbst im traditionell sehr IBM-lastigen Finanzsektor gibt es aufgrund der in vielen Bereichen indiskutablen Software- und Support-Qualität reichlich Migrationsprojekte weg von IBM - ich arbeite gerade als Softwareentwickler in einem (inklusive Migration von AIX V7.1 zu voraussichtlich RHEL 7, ich hatte es mal angedeutet). Das wird sich durch den personellen Kahlschlag von IBM nur noch verschärfen.

Daher ist auch egal, ob systemd nun funktioniert oder eben nur eine bessere Alpha-Version ist. Interessant wird es erst zu RHEL 8, was noch Jahre entfernt ist.

Bei uns ist gerade im Rahmen des obigen Migrationsprojekts die Verprobung von RHEL 7 (dementsprechend systemd v208) als unternehmensweiter Server-Plattform im Gange. Wenn ich mal wieder Zeit und Muße finde, mit einem Admin-Kollegen einen Kaffee zu trinken, kann ich vielleicht ein paar Erfahrungen von professionellen Admins und einer Testbasis von ein paar hundert Servern beisteuern.

Das Interessante ist doch vor allem, dass die Entwickler das Mass sind... nicht die Anwender. Das sagt sehr viel über das Projekt aus.

In Anbetracht der Featuritis von systemd finde ich es eher positiv, dass die Jungs etwas rausschmeißen, dessen Nutzen sowieso äußerst fraglich ist.

Warum unterstützen sie dann nicht das was da ist, also ein Betriebssystem ohne systemd?

Welche Alternativen für das Session Management hätte GNOME denn gehabt?
 
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